PROF. BAMBERGER IM INTERVIEW

Warum Führungskräfte nicht nur ihr Team und ihre Aufgaben optimal managen, sondern sich auch – trotz oder gerade wegen ihres permanenten Zeitdrucks – mit dem Management ihres eigenen Stresses beschäftigen sollten, erfahren Sie im Interview mit einem der führenden deutschen Präventionsmediziner, Professor Dr. Christoph Bamberger, Member des Medical Boards von Conradia Medical Prevention. Er ist davon überzeugt, dass Stressmanagement die gesunde Lebenszeit verlängert.

Herr Professor Bamberger, ist Stress nicht ein unvermeidbarer Teil jedes Managerlebens? Wie und warum sollte man sich damit beschäftigen? Bringt das nicht noch mehr Stress und stiehlt wertvolle und eh knapp bemessene Freizeit?

Ganz im Gegenteil: Stressreduktion, -bewältigung und -prävention können wertvolle Zeit schenken.

Vielleicht mal zum Hintergrund: Stress ist zunächst eine ganz natürliche Reaktion des Körpers auf objektive oder subjektive Stressoren, also Stressauslöser. Ich spreche jetzt nicht von erhöhtem Adrenalin vor einer wichtigen Präsentation, das mir vielleicht sogar den letzten Kick zur Höchstleistung verschafft. Nehmen wir eher Deadlines, die kaum zu schaffen sind, Druck durch Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen oder auch durch die familiäre Situation bedingt oder auch einfach subjektive Zukunfts- oder Versagensängste.

Viel Stress ist selbstgemacht. Aber das ist für das Gehirn irrelevant. Es reagiert immer mit einer Stressreaktion. Diese geht über das Nervensystem und das Hormonsystem in den Körper. Beim Nervensystem erfolgt die eben schon erwähnte Ausschüttung von Adrenalin, das ist die sogenannte „akute Stressreaktion“. Damit sind wir Menschen von Natur aus in der Lage, blitzschnell auf eine gefährliche Situation durch Flucht oder Kampf reagieren zu können. Blutdruck und Blutzucker steigen und stellen Energie für die „Ausnahmesituation“ bereit. Eine solche Stressreaktion haben wir in allen möglichen Situationen, auch im Straßenverkehr. Das lässt sich kaum vermeiden, ist aber ab und zu auch nicht schlimm.

Gefährlich ist der „chronische Stress“. Dieser hat mit dem Adrenalin nichts mehr zu tun. Der chronische Stress wird durch das viel länger wirksame Cortisol, das Stresshormon aus der Nebennierenrinde, vermittelt. Und das ist der Stress, der uns krank macht. Cortisol wirkt wie Cortison. Viele Menschen mit chronischem Stress nehmen an Gewicht zu, ihre Haut wird dünner, sie können hohe Blutfette, Diabetes oder Bluthochdruck bekommen. Alles Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall. Das muss nicht so kommen, aber dieser Mechanismus ist leider in vielen Fällen bei chronisch gestressten Menschen genauso beobachtbar.

Woran erkennt man, dass man chronisch gestresst ist?

Der Erfahrung nach führt eine anhaltende Stressphase nach etwa drei Monaten zu chronischem Stress. In der Regel treten dann körperliche Symptome auf. Das ist bei jedem Menschen ganz unterschiedlich. Der eine bekommt Probleme mit dem Darm, der nächste Bluthochdruck, andere Kopf- oder Rückenschmerzen oder auch Schlafstörungen. Diese Körperreaktionen darf man nicht ignorieren. Sonst droht ein Burnout. Der ist das Spätstadium von chronischem Stress, welches man nicht erreichen möchte.

Erschwerend kommt hinzu, dass chronischer Stress auch häufig einen ungesunden Lebensstil mit vermehrt schlechter Ernährung und erhöhtem Nikotin-, Kaffee- oder Alkoholkonsum nach sich zieht. Oft wird auch Sportvernachlässigt. Dies wiederum kann zu einem insgesamt schlechten körperlichen Zustand führen und die Risikofaktoren für Herzkrankheiten und Diabetes erhöhen.

Sind denn Führungskräfte tatsächlich besonders gefährdet?

Es kommt darauf an. Führungskräfte stehen im beruflichen Alltag oft unter Stress und müssen über lange Zeit volle Leistung erbringen. Ganzhäufig beobachten wir chronischen Stress bei Managern, die in einer Sandwich-Position sind, also von oben und von unten Druck bekommen. Weitere Ursachen gerade bei Führungskräften liegen auch in einem Gefühl fehlender Sinnhaftigkeit, Überforderung oder der Angst vor Versagen und Kündigung. Auch Inhaber von mittelständischen Unternehmen haben häufig Existenzängste, resultierend aus einer kritischen Firmensituation, und damit meine ich nicht nur Sonderereignisse wie die Covid-19 Pandemie oder eine Hochwasserkatastrophe. Da entstehen Stressoren, die man nicht einfach wegdiskutieren kann.

Was raten Sie den Führungskräften bezüglich des Umgangs mit Stress?

Ich rate, sich tatsächlich mit den Ursachen des eigenen Stresses auseinander zu setzen und sich nach gründlicher Analyse einen konkreten Plan zu machen, wie man Stress abbauen und langfristig die eigene Psyche widerstandsfähig machen kann. Dabei geht es einerseits darum, konsequent Stressoren zu identifizieren, die man eliminieren kann (Stichwort: Nein sagenlernen). Andererseits werden natürlich immer auch Stressoren (Meetings, Deadlines etc.) übrigbleiben, die man beim besten Willen nicht vermeiden kann. In diesem Fall geht es darum, einen inneren Schutzpanzer aufzubauen, so dass einem diese Stressoren weniger anhaben können. Im Fachjargon sprechen wir von Resilienz-Aufbau. In meinen Büchern „Stress-Intelligenz“ und “Die 50 besten Stress-Killer” zeige ich dies Schritt für Schritt auf. Am Anfang steht der ehrliche Blick nachinnen, dem folgt die Idee, die eigene Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, z.B. durch körperliche Betätigung und gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf. Und im dritten Schritt geht es darum, die eigene Psyche widerstandsfähig zu machen. Eine sehr individuelle Sache, wie Sie sich denken können. Egal, was man anpackt, sollte es aber umsetzbar und langfristig angelegt sein, um zu wirken.

Was bringen Gesundheits-Check-ups für gestresste Manager?

Wenn man regelmäßig seinen Gesundheitszustand überprüft, ist dies eine sehr effiziente Möglichkeit, latente Gesundheitsrisiken oder Erkrankungen, die sich noch nicht durch Beschwerden geäußert haben, aufzudecken. Gerade Menschen mit chronischem Stress neigen ja zu einer eher ungesunden Lebensweise mit den bereits skizzierten Folgen. Check-ups identifizieren Risikofaktoren und tragen zur Lebensstiloptimierung bei. Konkret: 80% der Herz-Kreislauf-Erkrankungen lassen sich potenziell verhindern oder deutlich hinauszögern. Auch mehr als ein Drittel aller Krebserkrankungen sind auf vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen. Insgesamt sind mit einemindividuellen Präventionsprogramm zehn gesunde Jahre mehr möglich.

Wie offen sind Unternehmen dafür, ihren Führungskräften Check-up Programme anzubieten?

Inzwischen bieten viele Unternehmen Fach- und Führungskräften regelmäßig vollumfängliche Check-ups an. Ein Vorsorge Check-up ist einerseits ein zeitgemäßes Incentive innerhalb des Employer Brandings. Andererseits erwarten Unternehmen – zu Recht, wie ich meine – dass die lebensstiloptimierenden Maßnahmen als Ergebnis des Check-ups dazu führen, dass beanspruchte Führungskräfte sich körperlich und seelisch besser fühlen und die täglichen Herausforderungen mit Energie und Motivation erfüllen können. In Folge bringen sie mehr Leistung und fallen weniger aus.

Und was sagen Sie denjenigen Managern, die keine Zeit haben, sich mit dem eigenen Stressmanagement in dieser Form zu befassen?

Da kann ich eine alte Zen-Weisheit zitieren: „You should sitin meditation for 20 minutes a day., unless you are too busy. Then you should sit for an hour.“

Prof. Bamberger ist der Direktor von Conradia Medical Prevention Hamburg. Der Internist und Endokrinologe (Hormonexperte) ist als bundesweit erster Professor für Endokrinologie und Stoffwechsel des Alterns („Anti-Aging“) bekannt geworden. Er gehört zu den angesehensten Ärzten auf dem Gebiet der Präventiv-Medizin und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und Ratgeber. Sein Buch „Stressintelligenz“ ist bei Droemer Knaur erschienen, „Die 50 besten Stress-Killer“ bei Trias.

Das Interview ist erschienen in der Mitgliederzeitschrift des DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte e.V.
PERSPEKTIVEN Ausgabe: 4 – 2021, Seite 94-95
Verbandszeitschrift Perspektiven | DFK | Essen

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